Erst Corona, dann Ukraine-Krieg – viele Unternehmen wurden in den vergangenen drei Jahren echt gebeutelt. Auch beim Thema Fleisch Ersatz sieht es nicht unbedingt besser aus: Auf der einen Seite gibt es Hersteller, die sich über dreistellige Zuwachsraten freuen, andere (vorallem große und bekannte!) geht langsam aber sicher die Luft aus. Was sagt der Blick in die Kristallkugel: Ist das Ende des Hypes um Fleisch Ersatz schon erreicht?
Fleisch Ersatz in der Krise?
Eines der ersten Unternehmen, das Fleisch Ersatz im großen Stil produziert und speziell auf die Bedürfnisse der großen Käuferschicht der so genannten „Flexitarier“ abgestimmt hat, ist Beyond Meat: Das erfolgreiche börsennotierte Unternehmen aus den USA ist schon in der Mitte der Corona-Krise in echte Bedrängnis geraten, dann kam die Absage von McDonalds USA im vergangenen Jahr, kein Beyond Meat Fleisch Ersatz in den plantbased Burger McPlant zu verwenden – und so ist der Aktienkurs des Unternehmens um mehr als 95 Prozent eingebrochen und ein Füntel der Belegeschaft muss gehen, ebenso wie vier Topmanager.
Liegt es an einer grundsätzlich mangelnden Nachfrage? Oder sind speziell die Produkte der gehypten Marke gar nicht mal sooo geil? Rollen wir das Ganze mal kurz faktisch auf!
Corona = weniger Produktion
Das Problem bei Beyond Meat ist tatsächlich vielschichtig und begann während der Corona-Krise. Es gab Schwierigkeiten mit der Rohstoff-Beschaffung, dazu kamen mit den einhergehenden Corona-Regeln wie Mindstabständen, Hygiene-Vorgaben sowie langen Ausfallzeiten der Mitarbeiter weitere Herausforderungen, die das Unternehmen nicht gelöst hat bzw. nicht lösen konnte. So konnte das Unternehmen nicht genügend Fleisch Ersatz produzieren und in Folge auch seine eigenen Prognosen nicht erfüllen, was wiederum Auswirkungen auf den Aktienkurs hatte. Denn Aktionäre lieben Absatzprobleme oder nicht erreichte positive Prognosen bekanntermaßen überhaupt nicht.
Weniger Produktion + Inflation = Geringerer Umsatz
Zu den niedrigeren Stückzahlen (= kleineres Angebot in den Supermärkten) kam dann im direkten, nahtlosen Anschluss auch noch die beginnende Inflation Dank des Russland-Debakels – und steigende Preise mögen Käufer ebenfalls nicht. Hierzulande ist Fleisch Ersatz von Beyond Meat zwar ohnehin nur sehr spärlich in den Supermärkten zu finden – doch auch im Heimatland USA, dem größten Absatzmarkt von Beyond Meat sah es nicht wirklich besser aus.
In Deutschland kommt erschwerend hinzu, dass Fleisch Ersatz noch immer mit 19% besteuert wird und nicht wie echtes Fleisch mit nur 7%. Und da die Produkte von Beyond Meat auch preislich in der Premium-Liga spielen, machen sich die 12% Unterschied schon bemerkbar, wenn der Geldbeutel plötzlich nicht mehr so locker sitzt, obwohl echtes Fleisch deutlich teurer geworden ist und so manche pflanzliche Fleischalternative plötzlich günstiger als das Pendant ist.
Fleisch Ersatz ist ebenso ungesund wie Fleisch
Negatives Image? Die Hardcore-Fleischlobby lässt nichts unversucht, Fleisch Ersatz schlechter darzustellen, als es ist. Logisch: man möchte schließlich nicht die Kuh schlachten, die einen ernährt! Klar ist aber auch, dass es sich bei Fleisch Ersatz größtenteils um hochverarbeitete Lebensmittel aus der Industrie handelt. Und egal ob plantbased Alternative zu Fleisch oder grundsätzlich: Täglich konsumiert sind industrielle Erzeugnisse nicht optimal für eine gesunde Ernährung. Ernährungswissenschaftler sind sich zumindest bei diesem Punkt einig: Beim direkten Vergleich sind die pflanzlichen Ersatzprodukte bei gleichem Konsumverhalten besser als Fleisch.
Bild: So sieht die Zukunft von Fleischersatz aus, wenn man eine künstliche Intelligenz dazu befragt.
Ist der Hype um Fleisch Ersatz zu Ende?
Nein, das bestätigen Statistiken von unabhängigen Instituten und Faktenpapiere aus der Wissenschaft: Fleisch Ersatz ist kein kurzfristiger Hype sondern ein dauerhaft wachsender Markt, bei dem die Entwicklung eben erst begonnen hat. Wir befinden uns gerade auf der vierten Stufe einer Treppe, die uns authentischere, gesündere und leckere Produkte in den kommenden Jahren bieten wird.
Stufe 1 – Vegane Wurzeln
Hier gibt es die historischen Fleischalternativen aus Asien, basierend auf Soja, Tufo, SeitanGluten, auch Weizenkleber oder Seitan genannt, ist das pure Eiweiß... und Tempeh, die Veganer schon seit Jahrzehnten nutzen, noch bevor es den Begriff „Fleisch Ersatz“ überhaupt gab.
Stufe 2 – Goldgräberstimmung
Hier begann mit den industriell auf fleischähnlich getrimmten Produkten die Erschließung des Markts für die breite Masse. Zielgruppe: Die so genannten Flexitarier, die aus gesundheitlichen, klimatechnischen oder ökologischen Gründen weniger Fleisch konsumieren möchten, ohne auf Genuss zu verzichten. Für diese spielt auch der Aspekt „Tierwohl“ eine große Rolle. Allerdings können viele Hersteller hier nur „vegetarische“ Umsetzungen anbieten.
Stufe 3 – Der Käufer als Beta-Tester
Auf der dritten Stufe experimentieren die Hersteller mit alternativen pflanzlichen Proteinen. Was geht ohne Soja und Weizen (Thema: Allergene)? Warum nicht Reis oder gar Blumenkohl nutzen? Mit Erbsen und Ackerbohnen spielt auch die regionale Verfügbarkeit und biologischer Anbau eine große Rolle. Darüber hinaus werden viele vorher vegetarischen Rezepturen „veganisiert“.
Stufe 4 – Nach der Pflicht kommt die Kür
Nachdem mit der Pflicht wie der Herstellung von panierten Produkten (Nuggets, Schnitzel & Co.) schon eine hohe Authentizität erreicht ist, wagen sich die Hersteller an die Kür. Größere Herausforderungen wie faserige Steaks und authentischere Fisch-Umsetzungen folgen. Sowohl, was den Geschmack als auch was die Struktur angeht, landen seit einigen Monaten neue Produkte im Supermarkt. Mit mehr oder weniger großem Erfolg… Zudem werden die Rezepturen bestehender Produkte weiter optimiert.
Stufe 5 – Neue Protein-Basen
Der Blick über den Tellerrand: Was kann man noch nutzen, um einen besseren, satteren Geschmack und eine authentischere Faser zu erzeugen? In der Schweiz will die Cirular Food Solutions GmbH Fleischersatz künftig aus Biertreber (einem Abfallprodukt aus der Bierindustrie, das sonst als Tierfutter Verwendung findet) herstellen. Auf diesem Sektor gibt es auch schon eine Kooperation des Berliner Start-Ups Mushlasbs mit der Bitburger Brauerei.
Stufe 6 – Künstliches Labor-Fleisch
Gerade erst hat die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) mit der Zulassung von im Labor kultiviertem Fleisch für menschlichen Verzehr der neuen Stufe von Fleisch Ersatz grünes Licht gegeben. Dies gilt als Meilenstein für eine neue Ära von Fleischersatzprodukten. Die Rügenwalder Mühle investiert bereits in die Entwicklung eines neuen hybriden Produkts, das aus pflanzenproteinen und künstlich produziertem Rinderfett bestehen soll. Diese im Labor gezüchteten Zellen haben echtes Fleisch als Blaupause und bilden diese 1:1 nach.
Produkte sind jedoch vor 2025 nicht marktreif. Dieser Trend zum In-vitro-Fleisch wird vielleicht die Zukunft von massentauglichem Fleischersatz sein – allerdings fehlt es in Deutschland und der EU aktuell noch an den notwendigen Zulassungen und Rahmenbedingungen. Und ob Käufer diese Art von Produkten überhaupt akzeptiert, ist sicher auch noch fraglich.
Meine Meinung
Dass Beyond Meat mittlerweile so schlecht dasteht, hat nichts mit dem Gesamtmarkt von Fleisch Ersatz zu tun sondern eher mit schlechtem Management. Der Markt-Pionier hat seinen Vorteil nicht sauber ausgespielt und viele Aspekte einfach nicht beachtet. Das ist sehr schade – zumal es im Blätterwald rauscht, dass Nestlé schon ziemlich heiß auf eine Übernahme des US-Unternehmens ist.
Bei vielen anderen Unternehmen läuft es jetzt in der Krise richtig gut, weil die Preise für Fleisch so stark angezogen sind und die pflanzlichen Alternativen endlich gleich teuer oder vielfach schon günstiger als das Original sind. Das beflügelt den Markt und reizt die Unternehmen, weiter zu experimentieren und zu investieren, um Fleisch Ersatz noch besser zu machen. Denn sein wir doch mal ehrlich: Von einer hunderprozentigen pflanzenbasierten Umsetzung, einem tatsächlichen Ersatz von Fleisch ohne Kompromisse sind wir doch in vielen Bereich noch weit entfernt!
Ob es beim Verbraucher allerdings eine große Akzeptanz gegenüber dem Laborfleisch aus dem Bioreaktor, dem Fleisch Ersatz 6.0, gibt oder sich dieser im Laufe der nächsten Jahre einstellen wird, bleibt abzuwarten. Bis dahin essen wir einfach die bisher gut umgesetzten Fleischersatzprodukte!
Hi, ich bin Chris: Kommunikationsmanager, Journalist, Autor und verantwortlich für die Inhalte auf Fleischersatz-Produkte.de. Ich schreibe bereits seit mehr als 25 Jahren redaktionelle Testberichte für Zeitungen, Zeitschriften und Magazine aus dem Bereich Technik, seit 2021 fokussiere ich mich auf das Thema Fleischersatz und setze mich kritisch mit den Produkten sowie der industriellen Herstellung von plant-based Alternativen auseinander.